Hinterziehung bei Nichtanzeige der Schenkung
Hinterziehung bei Nichtanzeige der Schenkung
Eine Hinterziehung durch Unterlassen bei Nichtanzeige der Schenkung begeht, wer einen schenkungsteuerpflichtigen Sachverhalt (freigebige Zuwendung nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 Erbschaftsteuergesetz) der Finanzbehörde nicht anzeigt. Auch das nicht rechtzzeitige Anzeigen kann tatbestandsmäßig sein. Dann hilft nur eine Selbstanzeige.
Täter der Hinterziehung bei Nichtanzeige der Schenkung sind damit latent der Schenker als auch der Beschenkte, da beide zur Anzeige des Sachverhaltes gleichermaßen verpflichtet sind. Die Nichtanzeige der Schenkung ist also eine Steuerhinterziehung nicht nur beim Schenker, sondern auch beim Beschenkten. Bei beiden sind jeweils für sich die Kenntnisse und Fähigkeiten bei der Frage der Abgrenzung von Vorsatz und Leichtfertigkeit getrennt zu untersuchen. So kann der eine straflos, der andere leichtfertig oder (bedingt) vorsätzlich handeln. Die Leichtfertigkeit oder der Vorsatz des einen ist dem anderen nicht (automatisch) zuzurechnen.
Steuerhinterziehung
Nach § 370 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 AO begeht eine Steuerhinterziehung, wer den Finanzbehörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht oder sie pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt und dadurch Steuern verkürzt. Bei Schekungen kommt es auch die Anzeige des Schenkungsfalls an das (zuständige) Finanzamt an. Dabei reicht es für eine vollendete Steuerhinterziehung aus, wenn die Verkürzung der Steuern nicht endgültig, sondern zeitlich beschränkt erfolgt. Das ist eine sog. „Steuerhinterziehung auf Zeit“.
Vorsatz
Die Steuerhinterziehung muss vorsätzlich begangen worden sein. Der Vorsatz wird gemeinhin mit Wissen und Wollen umschrieben. Bedingter Vorsatz genügt hinsichtlich der Steuerhinterziehung. Zum Vorsatz der Steuerhinterziehung gehört, dass der Täter den bestehenden Steueranspruch kennt und dass er ihn trotz dieser Kenntnis gegenüber der Steuerbehörde verkürzen will. Dabei ist es ausreichend, aber auch erforderlich, dass der Täter aufgrund einer Parallelwertung in der Laiensphäre den Grund, die Höhe und die Fälligkeit des Steueranspruchs erfasst.
Genaue Berechnung des Steuerschadens nicht erforderlich
Er muss die Steuerschuld dabei nicht genau berechnen können. Es genügt die latente Vorstellung, dass Steuern in einer bestimmten, noch nicht näher bestimmten Höhe dadurch entfallen oder jedenfalls vorübergehend nicht festgesetzt werden können. Der Täter muss die steuerliche Erheblichkeit der Tatsache zwar nicht steuerrechtlich präzise, aber doch in dem Sinne erkannt haben, dass er weiß, die Tatsache werde möglicherweise für seine Steuerschuld von Bedeutung sein (Leopold/Madle/Rader, AO, Loseblatt, Stand August 2017, § 370 Rdnr. 222, mit Rechtsprechungsnachweisen).
Bedingter Vorsatz bei Hinterziehung bei Nichtanzeige der Schenkung
Vorsätzlich handelt auch, wer es nur für möglich hält, dass er den Tatbestand verwirklicht, und dies billigend in Kauf nimmt (bedingter Vorsatz; vgl. BFH-Urteil vom 31. Juli 1996, XI R 74/95, BStBl II 1997, 157).
Leichtfertigkeit
Abzugrenzen ist die vorsätzliche Steuerhinterziehung (§ 370 AO) von der leichtfertigen Steuerverkürzung im Sinne des § 378 AO. Leichtfertigkeit bedeutet nach höchstrichterlicher Rechtsprechung (vgl. BFH-Urteil vom 19. Dezember 2002, IV R 37/01, BStBl II 2003, 385, m. w. N.) einen erheblichen, sehr hohen Grad an Fahrlässigkeit. Jedem anderen Dritten in der Lage des Täters muss bei Anwendung seines Spezialwissens und bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt dabei eigentlich klar sein, dass sein Handeln zu einer Rechtsverletzung führt. Er darf diese Rechtsverletzung zwar nicht wollen, sonst wären wir im zumindest bedingten Vorsatz, aber er hätte jedenfalls die Folgen seines Handelns bei gehöriger Anstrengung seines Wissens erkennen können und müssen.
Bildlich schlägt man sich der verobjektivierte Dritte in der Lage des Täters mit seinem Wissen und seinen Qualifikationen, Kenntnissen und Fähigkeiten quasi selbst an die Stirn und sagt sich: „wie kann man nur denn so handeln, das musste doch schief gehen…“, auch wenn der eigentliche Täter den Verkürzungserfolg nicht will und auch nicht erkannt hat, dass sein Handeln dazu führt.
Die Leichtfertigkeit als Steuerordnungswidrigkeit entspricht damit in etwa der groben Fahrlässigkeit des bürgerlichen Rechts. Insoweit ist auf die persönlichen Fähigkeiten und Kenntnisse des Täters, seine Ausbildung und sein Sonderwissen abzustellen.
Subjektive Kenntnisse und Fähigkeiten des Handelnden
Ein derartiges leichtfertiges Verhalten (etwa vergleichbar mit der groben Fahrlässigkeit) liegt danach vor, wenn der Täter nach den Gegebenheiten des konkreten Falls und seinen individuellen Fähigkeiten in der Lage gewesen wäre, den sich aus den konkret einschlägigen gesetzlichen Regelungen ergebenden Sorgfaltspflichten zu genügen und den Eintritt des missbilligten Rechtserfolges – hier also die Steuerverkürzung oder die verspätete Steuerfestsetzung – zu vermeiden.
Bewusste und unbewusste Fahrlässigkeit
Dabei unterscheidet sich die (bewusste) Fahrlässigkeit dadurch vom bedingten Vorsatz, dass der Täter mit der als möglich erkannten Tatbestandsverwirklichung nicht einverstanden ist und ernsthaft – nicht nur vage – darauf vertraut, sie werde nicht eintreten. Bei der bewussten Fahrlässigkeit vertraut also der Täter darauf, obwohl er die Tatbestandsverwirklichung grundsätzlich erkennt, dass sie nicht eintritt und glaubt auch daran. Bei der unbewussten Fahrlässigkeit erkennt er die Möglichkeit der Tatbestandsverwirklichung nicht und geht auch folglich nicht von einer möglichen Tatbestandsverwirklichung aus. Die grobe Fahrlässigkeit kann daher in Form der bewussten als auch der unbewussten Fahrlässigkeit vorliegen.
Abgrenzung Vorsatz von Leichtfertigkeit nach der Frank´schen Formel
Juristisch kann man hier nach der sogenannten Frank´schen Formel abgrenzen: Der bewusst fahrlässig handelnde erkennt zwar theoretisch die Möglichkeit der Tatbestandsverwirklichung, will aber den tatbestandsmäßigen Erfolg nicht und vertraut darauf, dass diese auch nicht eintritt. In Wahrheit würde jeder andere in der gleichen Situation die Hände über dem Kopf zusammenschlagen und kopfschüttelnd nur sagen, das kann doch niemals gut ging, wie kann man so handeln. Der bedingt vorsätzlich Handelnde erkennt den möglichen Taterfolg und es ist ihm gleichgültig: Er sagt sich innerlich: „Na, wenn schon …“ und handelt trotzdem, auch wenn es ihm auf die Tatbestandswirklichung nicht ankommt und er diese vielleicht auch gar nicht will, aber gleichgültig gegenüber dem verletzten Rechtsgut dennoch weiter handelt.
Dasselbe gilt natürlich auch analog für alle Unterlassensvarianten, wenn der Täter zum Handeln verpflichtet wäre aber entsprechend nicht handelt.
Unwissenheit schützt vor Strafe nicht
Der Spruch aus dem Volksmund: Unwissenheit schützt vor Strafe nicht, stimmt natürlich nicht. Eine Steuerhinterziehung durch Nichtanzeige der Schenkung muss mindestens bedingt vorsätzlich begangen werden. Die Unwissenheit schützt, da bei einfacher oder mittlerer Fahrlässigkeit keine Strafe droht. Bei Leichtfertigkeit ist die Nichtanzeige nur eine Ordnungswidrigkeit. Aber die echte Unwissenheit schützt sehr wohl vor Strafe … was aber ist, wenn die Unwissenheit einem keiner glaubt …?
Schutzbehauptung
Das Problem in dieser Konstellation liegt natürlich darin, dass jeder hinterher im Nachhinein behaupten kann, er habe den Erfolg nicht gesehen (dann unbewusste Fahrlässigkeit) oder aber habe ihn erkannt, habe ich aber den Erfolgseintritt nicht gewollt. Theoretisch müssen die Strafverfolgungsbehörden dann beweisen, dass hier eine Leichtfertigkeit bzw. gegebenenfalls sogar ein bedingter Vorsatz vorliegt. In der Praxis erlebt man häufig, dass einfach bedingter Vorsatz angenommen wird. Die Abgrenzung ist schwierig und anderweitige entgegenstehende Einlassungen des Steuerpflichtigen, er habe das nicht gesehen, nicht gewusst oder nicht gewollt – werden als bloße Schutzbehauptung abgetan.
Beweislast, Feststellungslast bei Hinterziehung bei Nichtanzeige der Schenkung
Dabei hat das Finanzamt/die BuStra/die Strafverfolgungsbehörde die Beweislast auch für das Vorliegen der subjektiven Elemente, also auch für das Vorliegen von Leichtfertigkeit oder (bedingtem) Vorsatz. Es wäre allerdings in der Praxis zu kurz gesprungen anzunehmen, dass es den Finanzämtern bzw. Strafverfolgungsbehörden nicht gelingt, die Leichtfertigkeit oder den Vorsatz zu beweisen. In der Praxis gegen die Finanzämter bzw. Strafverfolgungsbehörden einfach vom Vorliegen des Vorsatzes oder vielleicht nur der Leichtfertigkeit aus. Auch wenn die Nachweispflicht bei den Strafverfolgungsbehörden oder bei den Finanzämtern liegt, wenn es etwa um Haftungsbescheide, Duldungsbescheide oder verlängerte Festsetzung Verjährungsfristen geht, wird der Sachverhalt interpretiert und daraus dann Leichtfertigkeit oder Vorsatz jedoch Vorstellung des Sachbearbeiters aus dem objektiven äußeren Geschehensablauf abgeleitet.
Damit wird von dem objektiven Vorgehen auf den subjektiven Tatbestand geschlossen. Das ist zwar dogmatisch unzulässig, führt aber in der Regel nahezu zu einer Umkehr der Beweislast dahingehend, dass der Steuerpflichtige beweisen muss, dass er diesen Tatbestand nicht gewusst, nicht gewollt und auch nicht leichtfertig verwirklicht hat.
Zweifelssatz: in dubio pro reo
Für die Erfüllung des objektiven und des subjektiven Tatbestandes einer Steuerhinterziehung ist nach der Rechtsprechung der strafprozessuale Grundsatz „in dubio pro reo“ zwar auch in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit zu beachten. Dies bedeutet zunächst aber nur, dass die Finanzbehörde (wie generell für die Tatsachen, die den Steueranspruch begründen) die objektive Beweislast (Feststellungslast) für das Vorliegen aller Tatbestandsmerkmale der Steuerhinterziehung trägt.
Beweislast bei Hinterziehung bei Nichtanzeige der Schenkung
Dies hat zur Folge, dass für die Feststellung einer Steuerhinterziehung im finanzgerichtlichen Verfahren kein höherer Grad an Gewissheit erforderlich ist, als für die Feststellung anderer Tatsachen, für die die Finanzbehörde die objektive Beweislast trägt (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 5. März 1979, GrS 5/77, BStBl II 1979, 570; seitdem ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteil vom 7. November 2006, VIII R 81/04, BStBl II 2007, 364).
Beurteilungsmaßstab des Finanzrichters
Daher hat das Finanzgericht – wie auch sonst – nach seiner aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO) zu entscheiden, ob eine Steuerhinterziehung mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit, die vernünftigen Zweifeln Schweigen gebietet, vorliegt, wobei jedoch der Grundsatz „in dubio pro reo“ insoweit einer z. B. bei Verletzung von Mitwirkungspflichten durch den Steuerpflichtigen in Betracht kommenden Reduzierung des Beweismaßes entgegensteht (vgl. BFH-Urteil vom 7. November 2006, VIII R 81/04, BStBl II 2007, 364).
Praxis: wo keine Zweifel, da kein Zweifelsgrundsatz
Mit dem Grundsatz in dubio pro ist es auch insoweit schwierig zu verteidigen, weil der Richter hinsichtlich dieses Zweifels-Grundsatzes sich auf die Position leicht zurückziehen kann, dass eben im Zweifel zugunsten des Steuerpflichtigen/Beschuldigten zu entscheiden ist, er aber keine Zweifel an dem Vorsatz oder Leichtfertigkeit habe.
Steuerhinterziehung als Grundlage für Haftungs- Duldungs- Anfechtungsbescheide
Die vorgenannten Grundsätze zur Feststellung einer Steuerhinterziehung gelten in gleichem Maße für die Beurteilung der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 370 AO im Rahmen der Überprüfung eines Bescheides wegen Festsetzung von Hinterziehungszinsen, Haftungs- und Duldungsbescheide nach § 191 AO etwa in Verbindung mit § 71 AO oder §§ 3,4 AnfG etc.
Angelehnt an: Hessisches Finanzgericht, Urteil vom 7. Mai 2018 – 10 K 477/17 –, Rn. 22 – 27, juris
Dr. Jörg Burkhard hilft bei Problemfällen, etwa der Hinterziehung bei Nichtanzeige der Schenkung
Rechtsanwalt Dr. Jörg Burkhard, Fachanwalt für Steuerrecht, Fachanwalt für Strafrecht. Der Spezialist bei Steuerfahndung, Zollfahndung, Betriebsprüfung, Selbstanzeige. Der Vollprofil unter den Profis. Der Steueranwalt und Abwehrspezialist. Wiesbaden, Frankfurt am Main, 0611 – 890910 oder 069 – 870 05 10